Im Gesetz stehen nur grundsätzliche Kriterien
In Art. 125 ZGB sind die grundsätzlichen Kriterien festgehalten, wann ein Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt besteht. Diese Kriterien gelten auch für Personen in eingetragener Partnerschaft (Art. 34 Partnerschaftsgesetz).
Nach Art. 125 ZGB hat ein Ehegatte Anspruch auf Unterhalt,
- wenn ihm nicht zuzumuten ist, selbst für seinen gebührenden Unterhalt mit Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge aufzukommen. Die Zumutbarkeit ist der zentrale Begriff.
- Beim Entscheid, ob der andere Ehegatte Unterhalt leisten muss und wenn ja für wie lange, zählt das Gesetz verschiedene Parameter auf, die zu berücksichtigen sind.
- Zu diesen Parametern gehören u.a.:
- Frage der Aufgabenteilung während der Ehe zwischen den Ehegatten,
- die noch zu leistende Kinderbetreuung,
- das Alter und die Gesundheit der Ehegatten
- die Erwerbsaussichten der Ehegatten
Das Gesetz wird durch die Rechtsprechung konkretisiert
Das Gesetz legt keine konkrete Unter- und Obergrenze oder bestimmte Altersvorschriften und dergleichen fest. Die Definition und Ausdeutung der Parameter erfolgt durch die Gerichte. Daher sind die neueren Bundesgerichtsurteile im Bereich des familienrechtlichen Unterhalts von grosser Bedeutung.
Festlegung des Unterhalts in zwei Schritten
1. Zuerst prüft der Richter, ob ein Unterhaltsanspruch besteht.
2. Wird dies bejaht, wird im zweiten Schritt festgelegt, in welcher Höhe und für wie lange dieser Unterhalt zu leisten ist.
Wann besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Unterhalt?
a) Kinderbetreuung und Schulstufenmodell
In der Praxis spielt die Kinderbetreuung oft eine grosse Rolle. Mit seinem wegweisenden Entscheid 5A_384/2018 vom 21. September 2018 (BGE 144 III 481) hat das Bundesgericht das sog. Schulstufenmodell festgelegt, um die Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des hauptbetreuenden Elternteils zu beurteilen.
Ab Schulpflicht des jüngsten Kindes ist ein 50% Arbeitspensum zumutbar
Dem hauptbetreuenden Elternteil ist ab dem Eintritt des jüngsten Kindes in die obligatorische Schulpflicht (meist mit Eintritt in den Kindergarten) bis zu dessen Oberstufeneintritt eine 50% Erwerbsfähigkeit zumutbar. Danach ist bis zum Erreichen des 16. Altersjahres des jüngsten Kindes eine 80% Erwerbsfähigkeit, ab dem 16. Altersjahr des jüngsten Kindes schließlich eine volle Erwerbstätigkeit zumutbar. Die Gerichte müssen im Einzelfall prüfen, ob die Zumutbarkeit tatsächlich gegeben ist.
b) Gebührender Unterhalt bei langer Ehe
Art. 125 ZGB legt fest, dass ein Ehegatte Anspruch auf den gebührenden Unterhalt hat. Bei länger dauernder Ehe hat das Paar vielfach einen gewissen Lebensstandard erreicht und gepflegt. Beim Entscheid, ob Anspruch auf Beibehaltung des zuletzt gelebten gemeinsamen ehelichen Lebensstandards und damit grundsätzlich Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht, spielt eine Frage die entscheidende Rolle:
Hat die Ehe das Leben der Ehegatten entscheidend geprägt?
Dies ist nach der neuen Rechtsprechung (BGE 5A_907/2018 vom 03. November 2020) dann der Fall, wenn ein Ehegatte seine ökonomische Selbständigkeit zugunsten der Haushaltsbesorgung und Kinderbetreuung aufgegeben hat und es ihm deshalb nach langjähriger Ehe nicht mehr möglich ist, an seine frühere berufliche Stellung anzuknüpfen, während der andere Ehegatte sich angesichts der ehelichen Aufgabenteilung auf seine berufliche Karriere konzentrieren konnte. Bei dieser Ausgangslage soll derjenige Ehegatte, der auf seine frühere wirtschaftliche Selbständigkeit verzichtet hat, auch nach der Ehe in angemessener Weise die Solidarität des anderen in Anspruch nehmen dürfen, soweit er darauf angewiesen ist.
Wie hoch ist und wie lange dauert der Unterhalt?
Wird der Anspruch auf Unterhalt bejaht, kommt der 2. Schritt, nämlich die konkrete Berechnung des Bedarfs und der Eigenversorgungskapazität des unterhaltsbeanspruchenden Ehegatten.
Die Berechnungsmethode
Bis vor kurzem galten verschiedene Berechnungsmethoden unter den Kantonen, ja z.T. innerhalb der Kantone. Das Bundesgericht hat nun in seinen letzten Entscheidungen (BGE 5A_311/2019; 5A_891/2018) verbindlich festgelegt, wie der Unterhalt berechnet wird.
Es gilt die zweistufige-konkrete Berechnungsmethode.
Bei der zweistufigen Methode wird erst das Gesamteinkommen der Eltern beziehungsweise der Ehegatten (gegebenenfalls auch der Kinder) ermittelt. Anschliessend wird der konkrete Bedarf aller betroffenen Familienmitglieder festgelegt. Soweit die vorhandenen Mittel die (familienrechtlichen) Existenzminima übersteigen, ist der Überschuss nach der konkreten Situation ermessensweise zu verteilen. Resultiert kein Überschuss, d.h. reichen die Mittel nicht aus, um alle Bedürfnisse zu decken, so gilt folgende Reihenfolge für die Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel:
1. Abdeckung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums des Pflichtigen
2. Barunterhalt für die minderjährigen Kinder
3. Betreuungsunterhalt für minderjähren Kinder
4. ehelicher oder nachehelicher Unterhaltsanspruch eines Ehegatten
5. Unterhalt für volljährige Kinder.
Ermittlung des Einkommens
Dabei spielt die Eigenversorgungskapazität der Ehegatten eine entscheidende Rolle. Was ist jedem Ehegatten zumutbar, um seinen gebührenden Unterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten? Ist es zumutbar, dass ein Ehegatte trotz langer Abstinenz vom Arbeitsmarkt wegen der Haushaltsführung und/oder Kinderbetreuung nun infolge der Trennung oder Scheidung wieder in das Erwerbsleben einsteigen muss?
Aufhebung der fixen Altersgrenze für Wiedereinstieg
Bislang galt eine Altersgrenze von 45 Jahren, ab der es als unzumutbar galt, in das Erwerbsleben einzusteigen. Nun hat das Bundesgericht mit neuen Urteilen (5A_104/2018 vom 2. Februar 2021; 5A_800/2019 vom 09. Februar 2021) festgelegt, dass es grundsätzlich keine Altersgrenze mehr gibt. Neu ist stets von der Zumutbarkeit einer Erwerbsarbeit auszugehen, soweit eine solche Möglichkeit tatsächlich besteht und keine Hinderungsgründe vorliegen.
Massgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles
Für denjenigen Ehegatten, der Unterhalt im Falle einer Trennung oder Scheidung beansprucht - überwiegend Frauen - gilt es nachzuweisen, dass er trotz zumutbaren Anstrengungen keine Erwerbsmöglichkeiten finden. Allerdings muss dem Prozess des beruflichen Wiedereinstiegs (innere Neufindung, Bewerbungsprozess, Weiterbildung, neue Ausbildung etc.) mit Übergangsfristen und damit entsprechenden Unterhaltsrenten Rechnung getragen werden.
RS Rechtsservice AG; Claudia Weible Imhof, Rechtsanwältin