Arbeitszeugnisse – ein genauer Blick lohnt sich

Arbeitszeugnisse sind jedoch oft kompliziert geschrieben, haben falsche Leistungsbeschriebe oder können nachteilige Bewertungen enthalten. Sie sind ein häufiger Streitpunkt im Arbeitsrecht. Ihre Bedeutung für Arbeitnehmende und Arbeitgebende ist gross.

I. Rechtliche Grundlagen

Arbeitnehmende können gemäss Art. 330a OR jederzeit ein Zeugnis verlangen, d.h. während des Arbeitsverhältnisses bis 10 Jahre nach dessen Beendigung. Ein Vollzeugnis spricht sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, über die Leistungen und über das Verhalten aus. Arbeitnehmende können verlangen, dass sich das Zeugnis auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses beschränkt (sog. Arbeitsbescheinigung).

II. Form und Inhalt des Arbeitszeugnisses

  1. Form und Mindestinhalt

Das Arbeitszeugnis muss schriftlich ausgestellt werden und muss mit Datum und Unterschrift des Arbeitgebenden versehen sein.

Folgende Mindestangaben muss das Arbeitszeugnis beinhalten:

  • Personalien der Arbeitnehmenden (Name, Titel, Geburtsdatum, Staatszugehörigkeit/Heimatort)
  • Beschrieb der Tätigkeit (genaue und ausführliche Beschreibung der Tätigkeit, Bezeichnung der Funktion, allfällige Beförderungen während der Vertragsdauer)
  • Vertragsdauer (Datum Anfang und Ende des Arbeitsverhältnisses)
  • Arbeitsort
  • Leistung und Verhalten (inkl. mitgebrachte und erworbene Fachkenntnisse)
  • Angaben zur Vertragsbeendigung

Bei fristlosen Kündigungen möchten Arbeitnehmende nicht in jedem Fall, dass diese namentlich im Zeugnis erwähnt wird. Da in Arbeitszeugnissen jedoch häufig die Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden, lässt das Auslassen der Umstände Raum für Spekulationen. Grundsätzlich gilt daher die Regel: Wenn Arbeitnehmende die Nennung des Beendigungsgrundes im Zeugnis wünschen oder die Nennung für die Gesamtwürdigung unerlässlich scheint, muss der Arbeitgebende die Umstände der Beendigung in das Arbeitszeugnis aufnehmen.

  1. Wohlwollen versus Wahrheitspflicht

Das Arbeitszeugnis muss inhaltlich wohlwollend verfasst, wahrheitsgemäss und vollständig sein. Es darf den beruflichen Fortgang der Arbeitnehmenden nicht negativ beeinflussen. Die Grenze des Wohlwollens stellt aber die Wahrheitspflicht dar. Die dem Arbeitszeugnis zugrunde liegenden Tatsachen müssen objektiv wahr sein, d.h. für Dritte überprüfbar. Für negative Formulierungen, die nicht mehr als wohlwollend bezeichnet werden können, ist der Arbeitgebende beweispflichtig.

Das Hervorheben von bestimmten Tatsachen oder Vorkommnissen ist nur dann zulässig, wenn sie repräsentativen Charakter haben. Dies ist bei einzelnen Vorfällen oder kleineren Verfehlungen nicht der Fall. Im Zeugnis zu erwähnen sind beispielsweise strafrechtliche Verfehlungen gegenüber dem Arbeitgebenden, wiederholte Weisungsmissachtung oder eine grundsätzlich unzuverlässige Arbeitsweise.

Auch die politischen Anschauungen, die persönliche Situation oder persönliche Informationen der Arbeitnehmenden dürfen nicht im Zeugnis genannt werden. Nicht gestattet sind zudem versteckte Geheimcodes, d.h. versteckte Zeichen oder Botschaften in der Formulierung.

  1. Beispiele für versteckte Geheimcodes

Auf die Formulierungen kommt es im Arbeitszeugnis an. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn

  • wichtige Aspekte des Arbeitsverhältnisses nicht erwähnt werden
  • unwichtige Aufgaben vor wichtigen Aufgaben aufgezählt werden
  • bei Widersprüchen, Negativformulierungen, Selbstverständlichkeiten oder nur sehr knappen Beschreibungen.

Folgende Formulierungsbeispiele verstecken unzulässige Geheimcodes:

  • „Die Arbeit erfolgte zu unserer Zufriedenheit“: Die Formulierung „zufrieden“ ohne weitere Beschreibung spricht eher für Unzufriedenheit mit der Arbeit. Im Gegenzug dazu bedeutet „stets zur vollsten Zufriedenheit“ oder „zur vollsten Zufriedenheit“ die Leistung von sehr guter Arbeit.
  • „Er war nicht unfreundlich“: Diese Formulierung ist ein Beispiel für Negativformulierungen und bedeutet eher, dass die Person auch nicht besonders freundlich war.
  • „Auch dem üblichen Arbeitsaufwand war er gewachsen“: Dies ist ein Beispiel für Nennung von Selbstverständlichkeiten. Die Formulierung impliziert, dass die Person nur die nötigsten Arbeiten verrichtet und eher langsam gearbeitet hat.
  • „Er war sehr kommunikativ“: Mit dieser Formulierung wird darauf hingedeutet, dass die Person einen Grossteil der Arbeitszeit mit Gesprächen mit Arbeitskolleg*innen verbracht hat.
  • „Er war stets mit Interesse bei der Sache“: Diese Formulierung entspricht eher der Bedeutung, dass der Person Fachwissen fehlte und sie nur ungenügende Leistungen erbrachte.

III. Wie können Sie sich gegen ein schlechtes Arbeitszeugnis wehren?

Oft lohnt es sich, zuerst ein Gespräch mit dem Arbeitgebenden zu suchen und das Anliegen gemeinsam zu besprechen. Möglicherweise sind gewisse negative Formulierungen unbewusst gewählt worden oder klare Fehler lassen sich schnell beheben. Dabei sollte direkt auf die störenden Passagen hingewiesen und konkrete Verbesserungsvorschläge vorgebracht werden.

Ist das Verhältnis zum Arbeitgebenden angespannt, können Sie auch schriftlich zur Verbesserung des Arbeitszeugnisses innert einer gesetzten Frist von ein bis zwei Wochen auffordern und konkrete Verbesserungsvorschläge mitsenden.

Ist eine Einigung nicht möglich, müssen Sie die Berichtigung auf dem Klageweg durchsetzen. Dazu wird in einem ersten Schritt ein Schlichtungsgesuch in arbeitsrechtlicher Angelegenheit eingereicht und es findet eine Schlichtungsverhandlung statt. Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 30'000 fallen keine Gerichtskosten an. Der Streitwert für ein Arbeitszeugnis wird üblicherweise mit einem Monatslohn berechnet.