Mängel an Bauwerken

Der Fall: Vreni Huber hat eine Generalunternehmung beauftragt, ein Einfamilienhaus zu bauen. Einen Monat nach dem Einzug lassen sich mehrere Storen nicht mehr bedienen. Wie muss Frau Huber vorgehen?

Wer sich gegen Baumängel wehren möchte, muss Fristen einhalten. Die dem Bauherrn zustehenden Mängelrechte können nur während einer gewissen Zeitdauer geltend gemacht werden. Es gibt zwei Fristen: Die Rügefrist einerseits, und die Verjährungsfrist andererseits.

Wird im Werkvertrag auf die SIA-Normen verwiesen, gelten die Fristen gemäss SIA Norm. Andernfalls gelten die Fristen nach Artikel 371 OR (Rügefristen), bzw. die Verjährungsfristen gemäss Art. 371 Abs. 2 OR.

Rügefristen

Fristen nach SIA

Sobald die Bauleitung mitteilt, dass das Werk fertiggestellt ist, muss das Werk gemäss SIA 118 innert einem Monat abgenommen werden. Ab diesem Datum kann die Bauherrschaft offene und verdeckte Mängel zu jedem Zeitpunkt rügen.

Für verdeckte Mängel beträgt die Rügefrist 5 Jahre. Wichtig ist: Gemäss einem Bundesgerichtsentscheid müssen verdeckte Mängel innert 7 Tage nach Entdeckung gerügt werden. Für absichtlich verschwiegene Mängel gilt eine Rügefrist von 10 Jahren. Nach der Bauabnahme kann der Bauherr während 2 Jahren zu jedem Zeitpunkt weitere Mängel rügen und deren Beseitigung verlangen. Dabei kann er kleinere Mängel sammeln und dem Unternehmer zu einem frei wählbaren Zeitpunkt innerhalb der Rügefrist eine Liste vorlegen.

Frau Huber muss bei ihrem Generalunternehmer schriftlich (am besten eingeschrieben) rügen, dass sich die Storen nicht mehr bedienen lassen. Sie hat dafür 2 Jahre seit der Bauabnahme Zeit.

  • Wenn aber die Storen sich von Anfang nicht bedienen liessen, weil der Handwerker nochmals vorbeikommen muss, und eine Bauabnahme noch nicht stattgefunden hat, geht es nicht um die Mängelrüge, sondern um die Fertigstellung der Arbeiten.
  • Wenn die Storen einen nicht sichtbaren Mangel hatten (z.B. war das verwendete Storen-Material qualitativ mangelhaft) kann Frau Huber während 5 Jahren seit der Bauabnahme rügen; Sie muss das aber umgehend seit Entdeckung tun, spätestens innert 7 Tagen
  • Hat der Generalunternehmer absichtlich mangelhafte Storen angekauft, kann Frau Huber noch während 10 Jahren rügen.
Fristen nach OR

Wenn statt den SIA-Normen das Obligationenrecht gilt, gelten folgende Rügefristen: Handelt es sich um ein unbewegliches Bauwerk, kann der Mangel bis 5 Jahre nach dem Abnahmedatum gerügt werden; wichtig ist aber: Jeder Mangel muss sofort nach Entdeckung des Mangels gerügt werden!

Wenn im Werkvertrag nichts über die Anwendung der SIA-Normen steht, muss Frau Huber sofort nach der Entdeckung rügen, am besten schriftlich per eingeschriebenem Brief.

Verjährungsfristen

Die Rüge eines Mangels genügt zur Durchsetzung des Anspruchs des Bauherrn nicht. Er muss die Verjährungsfristen beachten. Denn nach Ablauf der Verjährungsfrist kann er seine Rechte, auch wenn er die Mängel gerügt hat, nicht mehr gerichtlich durchsetzen.

Die Verjährungsfrist für gerügte Mängel beträgt 5 Jahre ab Abnahmedatum des Bauwerks. Für absichtlich verschwiegene Mängel beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre ab dem Abnahmedatum.

Wenn Frau Huber erst nach 4 Jahren und 10 Monaten entdeckt, dass ein Mangel vorhanden ist, genügt es nicht, dass sie den Mangel rügt und die Beseitigung verlangt. Sie muss auch dafür besorgt sein, dass die drohende Verjährung nicht eintritt (Unterbrechung der Verjährung, s. unten).

Unterbrechung der Verjährung

Der Bauherr hat die Möglichkeit, die Verjährung vor Ablauf der 5 Jahresfrist zu unterbrechen. Die Unterbrechung erfolgt u.a. durch Anhebung einer Klage, beispielsweise durch ein Schlichtungsgesuch bei der Schlichtungsbehörde. Mit der Klageanhebung beginnt die Verjährungsfrist von vorn. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Unternehmer eine schriftliche Erklärung abgibt, dass er auf die Einrede der Verjährung für eine bestimmte Zeitdauer verzichtet.

Unsere Empfehlungen, wenn Sie einen Mangel entdecken:

  • Klären Sie ab, ob die SIA-Normen zur Anwendung kommen (im Werkvertrag nachschauen)
  • Rügen Sie im Zweifelsfall sofort schriftlich und per Einschreiben.
  • Beachten Sie die Rügefristen und Verjährungsfristen. Die Verjährungsfristen beachten, wenn sich die Verhandlungen mit dem Unternehmer in die Länge ziehen!
  • Massgebend ist das Datum der Bauabnahme. Es empfiehlt sich, nach der Baubeendigung eine offizielle und protokollierte Abnahme im Beisein von Bauherrschaft und Architekt durchzuführen.
  • Ohne Bauabnahme droht im Streitfall Uneinigkeit über den Zeitpunkt der Fertigstellung der Immobilie.
  • Bemüht sich keine der beiden Vertragsparteien um eine Abnahme, kann das Werk als stillschweigend und mängelfrei abgenommen angesehen werden.